Vortrag von Rainer Pentner „Oberkotzau und das 20. Jahrhundert“
Wenn Rainer Pentner in Oberkotzau einen Vortrag hält, sind die Besucherrekorde vorprogrammiert. Er kennt jede Ecke, jede Begebenheit in welchem Jahr auch immer, er weiß welcher Wirt sein eigener bester Gast war, welche Frau besonders gute Kuchen backen konnte, welche Betriebe gegründet wurden, wann es in welcher Fabrik gebrannt hat und warum, welche Obstbäume am liebsten abgeleert wurden und welche „Gunga“ dabei am eifrigsten waren.
Der letzte Vortrag begann mit dem Jahr 1930, und anderthalb Stunden später war man schon kurz vor dem Bau der Frankenbrücke, also im Jahr 1978 angekommen. 1930 war die Zeit des Erstarkens der Nationalsozialismus, und das geschah in Oberkotzau wie im ganzen Land. Mit allem, was Rainer Pentner zu dieser Zeit zeigt, könnte man sich gut an die derzeitige Realität erinnert fühlen – wir hatten das alles schon mal; bis zu einem gewissen Punkt. Aufmärsche, Feiern, die Bedeutung der Mitgliedschaft, die verschiedenen Uniformen und ihre Wirkung, der Jubel der Bevölkerung, der gezielte Einsatz von Musik, alkoholischen Getränken und markigen Ansprachen sind hier im kleinen Oberkotzauer Universum genauso zu beobachten, wie es im restlichen Land gewesen ist. Immer fließen auch Hinweise auf Wetterphänomene und Naturkatastrophen ein: monatelange Minustemperaturen und jede Menge Schnee gab es im Winter 1931/32, kurz nach dem Bau der Schulstraße, Hochwasser war nicht selten in Oberkotzau. Ein spürbares Erdbeben gab es im Februar 1932, später im Jahr kam es zu zerstörerischem Hagel. Der damals neue Fußballplatz entstand, der Wiesenfestplatz; die hohe Arbeitslosigkeit wurde gesellschaftlich schwierig. Als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wurde ein Siedlungsprogramm aufgelegt, innerhalb kurzer Zeit entstanden Häuser und Wohnungen. Die Kappelbrücke wurde neu gebaut, der Summapark entstand mit der Aussichtsplattform, die neue Schule und eine neue Kirche entstanden; an der Jakobuskirche wurde an- und umgebaut. Im August 1936 flog der Zeppelin über Oberkotzau, der große Rangierbahnhof wurde mehrmals verändert und erweitert. Die wirtschaftliche Situation der Gemeinde wurde durch eine Reihe von großen Fabriken und Betrieben positiv beeinflusst, Porzellan- und Textilfabriken prägten das Stadtbild; dazu gehörte auch der Betrieb von Wolf Marcus, der als erfolgreicher Unternehmer viel Gutes für die Marktgemeinde tat, allerdings als Jude später nach Theresienstadt deportiert wurde und dort verstarb. Pentner geht auch darauf ein, inwiefern sich die Geschehnisse an der Danziger Westerplatte anfangs des Zweiten Weltkriegs auf die Wirtschaft in Deutschland und auch in Oberkotzau auswirkte – diese Zusammenhänge dürften den wenigsten Menschen bekannt sein. Dass die Oberkotzauer Kirchenglocken – wie unzählige andere auch – abgegeben werden mussten, um als Metall für die Rüstung Verwendung zu finden, dürfte niemanden überrascht haben. Ein weiterer Schwerpunkt in diesem historischen Rückblick sind natürlich auch wieder die Gastwirtschaften und Bierkneipen Oberkotzaus; interessant ist immer die Dichte dieser „Institutionen“ – man konnte garnicht leicht nach Hause kommen, weil man immer noch in eine andere Kneipe gehen musste, die auf dem Heimweg im Weg stand.
Schreckliche Auswirkungen und die verheerenden Folgen des Zweiten Weltkriegs werden trotz der trostlosen Zeit damals mit erstaunlich viel Bildmaterial sichtbar gemacht. Nur langsam wird in der Nachkriegszeit die Bewältigung der kriegsbedingten Einschränkungen deutlich. Am Bahnhof muss aufgrund der Schäden gebaut werden, eine Wohltäterin Oberkotzaus – Frau Jutta Gottlieb – kümmert sich um die Unterbringung „übriggebliebener“ Kinder. Die Schulspeisung wird eingerichtet, ein Altersheim entsteht, die Renovierung der Anlage der Friedrichsruh wird vorangetrieben. Die Amerikaner richten ein Kino ein, die Baugenossenschaft baut wieder Wohnungen. In den 1960er Jahren kauft die Gemeinde Oberkotzau das Schloss, deren letzte Besitzer gestorben waren. Rainer Pentner weiß zu allen Bildern zahllose Details, die Zuschauerinnen und Zuschauer ergänzen immer wieder mit eigenen Erinnerungen. In dieser Zeit der 1960er Jahre gehören auch die ersten Pläne für das Oberkotzauer Schwimmbad – jeder kennt und schätzt es in der heutigen Ausprägung, die Gastronomie bedeutet nach wie vor viel für die Bevölkerung; nicht nur „Onkel Toms Hütte“ und die „KakaduBar“, die Exoten unter den vielen Namen. Es entsteht wieder ein gutes Leben nach schwerer Zeit in Oberkotzau.
Der nächste Vortrag am Mittwoch, den 19. November 2025 befasst sich mit dem Bau der Frankenbrücke – es wird wieder spannend! Einlass ab 14:00 Uhr, Beginn 14:30 Uhr.